Warum nun Distanz-Reiten?
07. Mai 2011:
Dieser Bericht ist nichts für alte Hasen im Distanz-Geschäft. Die lachen sich wahrscheinlich richtig schlapp über die Sorgen von Distanz-Neulingen. Also bitte nicht so ernst nehmen.
Nachdem Jacinto bereits seit Januar gut im Training ist habe ich mir gedacht ich nutze das neu entdeckte Lauftalent meines Pferdes und erweitere meinen Horizont indem ich mich mit Distanzreiten beschäftige. Gesagt getan. Erst habe ich mir ein Stethoskop zugelegt. Sieht natürlich total cool aus, wenn man mit dem Ding um den Hals durch die Gegend läuft und mal eben den Puls abhört. Fühlt man sich doch gleich wie George Clooney in Emergency Room.
Dann habe ich ein Buch über Distanzreiten gelesen. Aber so wirklich tiefschürfende Erkenntnisse in Bezug auf Training haben sich mir darin auch nicht eröffnet. Anscheinend gibt es wie bei so vielem kein Patent-Rezept. Also Selbstversuch-Training aus einer Kombination von Buch, Internet, Leute fragen und natürlich einfach Reiten. Meine Ritte wurden immer länger und immer schneller. Es eröffnete sich mir ein ganz neues Reitgelände. Und das obwohl ich schon mehr als zwei Jahrzehnte im immer gleichen Gelände ausreite. Die Dimensionen haben sich erweitert und ich hatte viele wunderschöne Ritte und tolle Wege entdeckt. Schon alleine deswegen hat sich das Training gelohnt.
Dann also der Entschluss: ich wage es. Ich starte eine Distanz. Zuerst die Bedenken: Schafft Jacinto es so eine lange Strecke zu Laufen? Die Bedenken schrumpften nach den ersten Versuchen das Pony müde zu bekommen rapide zusammen.
Neue, wesentlich bedrohlichere Bedenken traten auf. Werde ICH den Ritt schaffen? Oder werde ich wie ein nasser Sack am Pferd hängen, um Gnade winseln und mir alles Wund reiten was nur geht? Werde ich irgendwann mitten im Nirgendwo liegen bleiben und darauf hoffen, dass mich irgendwer mit dem Pferdehänger aufsammelt? Werden alle, die sich insgeheim gedacht haben, jetzt spinnt sie total, das schafft die nie, Recht behalten?
Anfang Mai war es dann so weit. Jacinto und ich starteten unseren ersten gemeinsamen Distanzritt.

Lindenhof-Distanz
Um eines mal vorweg zu nehmen: Yeah! Wir haben es geschafft!
Nadine und ich sind Freitag Nachmittag voll bepackt gen Hambach gefahren. Unser Auto war so voll gepackt wie nie. Selbst wenn ich mit zwei Pferden auf Turnier fahre nehme ich nicht so viele Sachen mit! Das muss noch verfeinert werden. Aber angekommen lief alles ganz professionell ab. Nadine Paddock bauen lassen. Das macht sie super und bombensicher. Dank meiner tollen Jungs zu Hause haben wir auch Heringe und Pressbändel für die Ecken des Paddocks dabei gehabt. Ich Anmeldung und Voruntersuchung mit Jacinto. Danach Schlafzimmer im Hänger aufbauen. Perfekter Plan. Perfekte Ausführung.
Katja Spies und Champana hatten es sich nebenan gemütlich gemacht. Den Abend verbrachten wir dann mit Rittbesprechung und gemütlichem Zusammensitzen zwischen den Hängern.
Die Nacht im Hänger war auch einigermaßen komfortabel und dank mehrerer Decken auch gar nicht kalt. Es hat was nachts den Pferden beim Kauen zuzuhören und direkt neben dem eigenen Pferd zu liegen. In der Umgebung schnarchten die Leute …. sehr idyllisch. Ich habe kein Auge zu getan.
Um 9.36 Uhr war unsere Startzeit. Es ging in 4er Gruppen los, was sich aber dann recht schnell verteilte. Katja und Champana sind gleich losgedüst und Jacinto hat sich mit einem netten Palomino-Wallach angefreundet, dessen Besitzerin wie ich die allererste Distanz gestartet ist. Das Tempo von den beiden hat ganz gut zusammen gepasst, so sind wir die ganze Zeit zusammen geritten.
Die erste Schleife führte uns über 18 km gut markiert durch eine wunderbare Landschaft. Rapsfelder überall, alles strahlend gelb und strahlender Sonnenschein. Was will man mehr?
Im Vet-Gate angekommen hat sich Jacinto gut erholt und hatte auch prima Werte beim Tierarzt. Also nach 20 Minuten Pause um 11.56 Uhr weiter auf die zweite Runde. Das waren noch mal 23 km. Jacinto fand es etwas befremdlich, dass er noch mal los musste, hat sich dann aber damit abgefunden, sein Tempo gefunden und ist locker vor sich hin gelaufen. Nachdem er es ja gewohnt ist, immer von anderen überholt zu werden hat es ihn auch nicht gestört, dass die Reiter vom 80-km-Ritt oft in einem ganz schönen Tempo an uns vorbei gedüst sind.
Die Strecke war ziemlich schwierig vom Geläuf her. Die zweite Runde ging zur Hälfte nur durch Wald auf Schotter. Normal ist im Wald am Schotterweg ja immer Waldboden am Rand, aber diesmal war der alte Schotter von den neuen Schotterwegen am Rand gelegen. Sehr anstrengend für meinen barhuf laufenden Jacinto. Er hatte ganz schön zu kämpfen mit den Steinchen. Wir sind dann auch einige Kilometer abgestiegen und gelaufen.
Mein armes Pony war ganz schön gefrustet. Am Waldrand war dann eine weitere Pulskontrolle. Meine fleißigen Trosser Nadine und Nicole (die hiermit offiziell in den Trosser-Pulk aufgenommen wurde) haben schon auf uns gewartet. Ich war mir an diesem Punkt nicht sicher, ob ich weiter reiten sollte, aber die restlich Strecke waren wieder mehr Graswege. So habe ich die Entscheidung Jacinto überlassen.
Ich bin wieder aufgestiegen und Jacinto ist wie frisch erholt weitergetrabt. Ein gutes Gefühl. Die letzten 10 km waren sowieso genial. Alles lief wie am Schnürchen und die Kilometer schrumpften nur so dahin. Der Zwerg lief am langen Zügel, hatte sein Tempo gefunden und ich saß einfach nur oben drauf und habe mich gefreut. Am Ende hätte er noch länger laufen können und auch für mich war es nicht zu weit. Keine Popo-Schmerzen, keine wundgerittenen Stellen. Super. Mit einem fetten Grinsen bin ich um 14.26 Uhr ins Ziel geritten. Die Pulskontrolle dort war auch nach zehn Minuten wieder im Normbereich.

Ich bin sehr stolz auf meinen Zwerg. Er hat das so toll gemeistert. Am Tag danach hatte er schon Muskelkater, aber ich ja auch. Es war bestimmt nicht unser letzter Distanzritt. Man lernt unter solchen „Belastungen“ sehr viel über sich und sein Pferd und man hat die Chance wirklich viel Zeit mit seinem Pferd zu verbringen und es noch besser kennen zu lernen. Wobei wir beide uns ja schon richtig lange kennen, aber man wächst einfach noch mehr zusammen.
Unterwegs trifft man nette Leute und insgesamt ist die Atmosphäre einfach geprägt von Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft. Man fühlt sich einfach wohl und gut aufgehoben. Ein dickes Lob übrigens auch an das Lindenhof-Team. Sehr schöne Organisation und alle waren wirklich nett und hatten Geduld mit leicht aufgeregten Frischlingen wie mir.