Del Cavador

Ausreiten – Tortour oder Vergnügen?

März 2012 – del Cavador lässt jetzt schreiben! 🙂

Neulich … im Reitstall (von Julia Väth):

Als passionierter Gelände- und Wanderreiter genießt man es, auf dem Pferderücken stundenlang durch die Natur zu streifen. Am Wochenende geht es bei Zeiten los, über die Felder und durch den Wald. Mittags dann Einkehr im Biergarten mit Pferdeparkplatz, und Abends kommt man glücklich und zufrieden wieder im Stall an. Natürlich wäre es schön, wenn man nicht ewige Hängerfahrten auf sich nehmen müsste, sondern Mitreiter am eigenen Stall hätte…

Das bekommen natürlich die übrigen Einsteller auch mit, was dann zu Dialogen der nun folgenden Art führt:

„He, da bist du ja wieder. Warst aber lange weg.“

(Wie? Was? Redet die mit mir? Wo meine Hose und mein Pulli nicht im entferntesten designtechnisch harmonieren?)

„Ja, machen wir beinahe jedes Wochenende.“

„Klingt ja toll. Meinst du, ich kann da mal mit reiten?“

(Sie meint tatsächlich mich, ist ja sonst auch niemand da. Aha, OK…)

„Klar. Morgen früh um 10 Uhr geht`s wieder los“

„Oh, da kann ich nicht. Ich bin heute Abend auf Geburtstag, da muss ich morgen ausschlafen.“

(MUSS, wie bindend. Kategorisch geradezu, nun ja, jeder ist anders.)

„Na dann nächsten Samstag, auch um 10 Uhr?“

„Äh, nein, da muss ich dringend zum Friseur. Und Sonntags muss ich mal ausruhen. Der ganze Stress, du weißt schon.“

(Schon wieder dieses MUSS… Die arme Frau hat wirklich Stress.)

„OK, dann in zwei Wochen?“

(So lange plane ich nie voraus, aber na ja…)

„Ja, da hätte ich Sonntags Zeit. Glaube ich zumindest. Ich muss nur mal im Kalender schauen, ob da nicht Tupperabend ist oder so etwas.“

„Ja, wir planen mal, du kannst ja noch bescheid sagen. Zum Biergarten nach XY, das ist ne schöne Strecke.“

„Jaaa, äh…wie weit ist das denn? Um 16 Uhr muss ich nämlich zu Hause sein, da kommt meine Lieblingsserie.“

(Wie bitte? Lieblingsserie? Wo sind wir denn jetzt gelandet? hab ich die Abzweigung verpasst? Ich bin…verwirrt?)

Leicht irritiert: „Ah, ja klar. Dann nur nach XYZ, da brauchen wir 1,5 Stunden für die einfache Strecke, das ist nicht zu weit. Wir reiten oben auf der Höhe und…“

„Warte mal: DA oben? Nicht so gut. Da sind immer so viele Rehe. Da erschrickt mein Pferd sich so.“

(Wie unverschämt und frech, diese Rehe. Laufen da auf der Wiese herum, ohne Rücksicht auf schreckhafte Pferde- und ebenso schreckhafte Reiter.)

„Wir können auch erst unten am Bach entlang reiten, dann im Dorf über die Straße…“

„Halt Stopp! Am Bach? und was machen wir, wenn da wieder die Enten so plötzlich hoch flattern? Das ist mir mal passiert! Vor 5 Jahren ungefähr! Bin beinahe vom Pferd gefallen! DAS ist mir zu gefährlich!“

(Ich bemühe mich, meine Augen nur begrenzt aufzureißen und mein Kiefer fällt auch wirklich nur 2 oder 3 Sekunden runter, dann habe ich die körperlichen Symptome meines ungläubigen Erstaunens wieder voll unter Kontrolle.)

„Dann bliebe noch der Waldweg, das ist ein kleiner Umweg. Aber nicht viel. Das ist dann allerdings viel Schotter und Asphalt.“

„He, das ist doch gut. Dann stolpert mein Pferd wenigstens nicht, da  sind die Wege schön eben. (Sie strahlt, ich habe ihr eine Freude gemacht, wie schön…) Dann werd ich mal schauen, was ich noch so brauche.“

„Wie, was du brauchst? Wie meinst du das?“

(Ich verstehe es wirklich nicht, ganz ehrlich. das ist NICHT ironisch gemeint)

„Na Packtaschen, Kompass, Regenmantel, Sonnenschutz, Kartenmaterial…“

(Irgendwann nach „Kartenmaterial“ schalten meine Ohren auf Stand by, während mein Gehirn sich der brennenden Frage widmet, wann genau aus einem 4 Stunden Ritt eine Tour von mehreren Tagen wurde. Zu mindes klingt es so, aus ihrem Mund.)

Zwei Wochen Später, tatsächlich findet kein Tupperabend statt, es steht kein Friseurtermin an und auch keine Botoxparty oder ähnliches, sie ist wirklich pünktlich am Hof…Und mir fallen die Augen aus!

Sie hat ihr Pferd komplett getuned. Bestimmt hat sie sich bei „Pimp my Ride“ beworben.

Vor mir steht: DAS PFERD!

Eine nagelneue Wanderreittrense aus weichem Leder ziert den Kopf, ich will den Preis gar nicht wissen. Farblich abgestimmt dazu, trägt es Packtaschen. Ein komplettes Set aus Vorder-und Hintertaschen, sowie Banane. Und nicht irgendwelche! Die guten teuren, von der Firma mit „O“ am Anfang. Sie scheinen auch gefüllt zu sein, ich frage lieber nicht, was da alles drin steckt. Oben drauf getürmt hat sie noch ein Monstrum von Decke geschnallt. Bandagen dürfen auch nicht fehlen. Ebenfalls in gigantischem ausmaß. Sicher könnte man damit das gesamte Pferd einwickeln.

Die Reiterin sieht verwegen aus. Indiana Jones für arme. Lederhut, Reitmantel, Wanderschuhe, Kartentasche… Und alles sieht verdächtig ungetragen aus! UND TEUER!

Ohne weiteren Kommentar besteige ich mein Pferd. ich sehe aus, wie immer, begnüge mich mit Vorderpacktaschen, in denen ich etwas zu Trinken und ein paar Kleinigkeiten drin habe.

„OK, lass uns loslegen“

Also reiten wir vom Hof. Mein Pferd, wie gewohnt, am halblangen Zügel und in gleichmäßigen raumgreifenden Schritten. Unser vierbeiniger Begleiter zusammengestellt und dementsprechend mit Tippelschritten. Irgendwie wirkt das unruhig, was meine Mitreiterin gleich zu weiteren Spekulationen veranlasst. „Oh je, der ist ja so aufgedreht…“

Nun ja, die ersten 20 Minuten sind dann ganz in Ordnung. Irgendwann schlage ich vor, doch mal ein Stück zu traben. Raten sie bereits die Antwort? „Lieber nicht, der ist ja heute so aufgedreht. Der buckelt bestimmt los.“

Also bummeln wir weiter, im Schritt, ist ja auch ganz schön. Dann kommt bald das erste, und wie sich herausstellt, kaum zu bewältigende Hindernis: Eine Brücke. Breit, mit einer ein Meter hohen mauer eingegrenzt, geteert. Einfach, denken Sie?

Nach 30 Minuten tippelt unser Begleiter endlich wild schnaubend und prustend hinüber. Eifrig unterstützt von seiner Reiterin, die Zügel noch kürzer, der Oberkörper weit nach vorne gebeugt und viele „hoooh“s und „laaangsaaam“s kreischend.

Puh, geschafft. Wenn auch beide, Pferd und Reiterin, schweißnass sind. Schon jetzt sind wir weit über eine Stunde unterwegs und die Strecke ist noch nicht mal zur Hälfte geschafft.

„Gut“, denke ich, „dann essen wir eben etwas schneller.“

Allerdings habe ich nicht mit den hinterlistigen Rehen gerechnet. Diese müssen uns ausspioniert haben. und anstatt auf ihrer Wiese zu bleiben, lauern sie uns nun im tiefen Wald auf, um dann plötzlich über den vor uns liegenden Weg zu springen. Während das Pferd kurz zusammenzuckt, erleidet die Reiterin einen regelrechten Nervenzusammenbruch. Dieser kanalisiert sich in einer Schimpftirade gegen mich: „ DU hast doch gesagt, der Waldweg wäre gut zu reiten! Und jetzt? Erst diese gefährliche Brücke, dann die vielen Rehe. was denkst du dir denn!“

Was ich denke? „WAS ICH DENKE? ICH DENKE, DU KAUFST DIR BESSER EINE JAHRESKARTE FÜR DEN GOLFCLUB!“ Mir reicht es, wortlos wende ich mein Pferd. Ich will nur zurück.

Zwei Stunden später erreichen wir den Heimatstall. Zwei Stunden, weil weitere Rehe, ein Traktor mit einem Anhänger voller Brennholz, zwei Spaziergänger mit einem auf Pferde abgerichteten Kampfhund (Laien nennen ihn auch Pudel) sowie unzählige weitere Bösartigkeiten uns aufhalten. Bösartigkeiten, mit denen ein Reiter im Gelände natürlich nie rechnen muss.

Was bleibt? Mein Wallach ist etwas verdutzt und gerade erst warm gelaufen. Und ich habe weitreichende Erkenntnisse erlangt.

Die wichtigste davon? Mein Pferd und ich sind wahre Freaks und bestimmt gedoped, sonst würden wir das nie aushalten.

Eine Woche drauf bin ich natürlich wieder auf Tour. Diesmal macht es mir kein bisschen etwas aus, dass ich eine halbe Stunde mit dem Pferdehänger fahren muss, um mich mit „gleichgesinnten Freakes“ zu treffen und einen schönen Tagesritt zu genießen.

Wie konnte ich mich nur beschweren, dass niemand aus unserem stall mit mir ausreiten mag?

Obwohl an der Realität orientiert, sind Personen und Handlungen natürlich frei erfunden…

Zur Autorin:

Ja, Frau Griebel lässt jetzt schreiben – schließlich möchte ich Euch unterhalten und da freue ich mich auch über Erlebnisse und Geschichten von anderen Leuten, gerade wenn sie mir auch so hätten passieren können.

Julia Väth kenne ich übrigens seit letztem Jahr. Sie hat damals ganz spontan beschlossen mich Anfänger bei einer Distanz zu Trossen. Wir kannten uns damals überhaupt nicht. Ich muss sagen, wir hatten einen schönen Tag und verstanden uns auf Anhieb. Das Liebe ich an den Aktionen mit den Pferden: Man braucht nur etwas „offen“ durch die Welt gehen und trifft auf nette Leute. Und letztes Jahr habe ich einige nette Leute kennengelernt!

Julia besitzt einen Traberwallach namens Hucellus Junior und ist 2010 ihre erste 80-km-Distanz gestartet. Sie ist also viel draußen unterwegs. Hucellus hat seit letztem Jahr übrigens angefangen sein schlummerndes Tölt-Talent auszupacken und seitdem bearbeite ich Julia doch mal an einer Töltdistanz teilzunehmen. Hucellus wird mir zwar davonlaufen, aber irgendwann machen wir das mal zusammen!

Vielen Dank für die Erlaubnis diesen Artikel zu veröffentlichen Julia – und ich hoffe auf mehr 🙂

5 Antworten auf „Ausreiten – Tortour oder Vergnügen?“

  1. Anmerkung: Wer sich noch an die PIU erinnern kann, dem wird dieser Artikel vielleicht bekannt vorkommen. Leider gibt es ja keine PIU mehr. So werde ich jetzt die damals bereits veröffentlichten, aber auch unveröffentlichte Artikel nach und nach im web präsentieren.

    1. Hallo Herr Nitsch. Hier finde ich Sie also wieder! Wir hatten ja früher einmal Kontakt, Leider habe ich die Daten verloren. HUcellus geht es soweit gut und er freut sich weiterhin seines Lebens.

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