Die Auto-Diva?
12. Juni 2016:
Heute möchte ich Euch mental entführen: stellt Euch vor Ihr sitzt in einer Poetry-Slam-Lesung. Eine zierliche junge Frau betritt die Bühne. Sie hat eine staubige Reithose an und stinkt nach Ruß und Pferd. Das können aber nur die ersten drei Reihen riechen. Es wirkt ziemlich authentisch. Sie setzt sich, seufzt laut und beginnt ihren Vortrag:
Die Auto-Diva
Ich fahre seit fast 10 Jahren einen Suzuki. Einen S(port)U(tility)V(ehicle) wie man fachmännisch sagt. Ich brauche ihn, um mein kümmerliches Selbstbewusstsein aufzumotzen und mindestens zwei Pferde hinter mir her zu ziehen. Ja, auch Frauen protzen gerne mit großen Autos. Gut im Falle des Suzuki ist es eher ein Möchtegern-Protzen. Es ist ein kümmerlicher Versuch – eigentlich schon fast traurig.
Der Suzuki sieht nämlich eher aus wie ein gediegenes Familienauto. Nicht unbedingt Protz-Tauglich. Aber man sitzt so schön hoch. Und man wird als Bedrohung im Straßenverkehr wahrgenommen, wenn man mit 50 km/h auf eine befahrene Kreuzung brettert. Das langt mir dann schon. Jedenfalls haben der Suzuki und ich schon über 200.000 km zusammen auf diversen Straßen, Schotterwegen, Feldern und bei allen möglichen Wettern und Gelegenheiten verbracht. Wir haben uns aneinander gewöhnt.
Das sieht man auch. Gleich am Anfang, als er noch neu und monströs groß in der Auffahrt stand ist mein Vater erst einmal deftig in die Fahrerseite gefahren. Begründung: „Kind, das Auto habe ich nicht gesehen“. Ne, is klar. So ein graues monströses Ungetüm kann man gerne mal übersehen, vor allem, wenn es an der Stelle steht, an der es immer steht es taghell draußen ist und die Metalliclackierung funkelt, weil sie noch schön sauber ist. Alles gut Papa. Seitdem fahren wir mit einer deftigen Delle herum. Es kamen in den Jahren noch weitere Schrammen und Dellen dazu. Ich muss meinem Vater zu Gute halten, dass sie nicht mehr von ihm stammen. Das hoffe ich zumindest.
Das Auto lebt. Innen und Außen. Es ist ein Reiterauto. Man kann ohne schlechtes Gewissen und vorbeugender Notfallmedikation auch keine Allergiker mehr darin mitnehmen. Es ist komplett kontaminiert. Ganze Generationen von Fellwechselhaaren wohnen dort. Als Reiter und Pferdebesitzer kann man sein Auto nicht wirklich sauber halten. Ihr Hundebesitzer wisst, wovon ich rede. Da riecht es bei Regen auch nach nassem Hund im Auto – egal ob der Hund schon fünf Jahre tot ist oder tatsächlich hinten im Auto sitzt. So ein Auto bleibt bis es stirbt oder man einen Blöden findet, der es übernimmt.
Jedenfalls hat der Suzuki beschlossen mein Leben etwas aufzumischen indem er einen dauerhaften Elektronikfehler produziert. Eigentlich hat er ja, zugegebener Maßen nachvollziehbar und gerechtfertigt, erst gestreikt, nachdem der Dieselrußpartikelfilter voll war. Das nennt man Verschleiß bei über 200.000 km. Damit kann ich Leben. Gut, er hätte das nicht unbedingt mit zwei Pferden hinten dran während einer 400 km Fahrt von Düsseldorf nach Hause tun sollen. Dieses Auto mutiert inzwischen zur Drama-Queen.
Filmreif hat er mich und Yvi kurz nach Düsseldorf mit einem hämisch gelben Leuchten der „Einspritzpumpenlampe“ und dem Reduzieren der Motorleistung in den Wahnsinn getrieben. Es ist nicht lustig, wenn man durch das Siebenbergeland und den Taunus mit zwei Pferden hinten dran im dritten Gang auf Vollgas gurkt, um überhaupt 40 km/h halten zu können. Das macht Spaß. Nicht. Und zermürbt einen über die Kilometer erfolgreich.
Der Psychoterror erreicht seinen Höhepunkt als eine zweite gelbe Warnlampe mit der Bezeichnung „Motor“ anging. Yvi liest in der Bedienungsanleitung, die sich tatsächlich noch im Auto befindet, nach: „Solange sie nicht rot blinkt ist alles gut.“ „Hmhm“ … meine Nerven sind am Ende. Ich möchte mich eigentlich nur noch in eine Ecke setzen und leise wimmernd vor und zurück schaukeln. Wir klammern uns an diese Aussage: Die Lampen könnten also auch rot leuchten. Das wäre ganz schlecht. Und ziehen es weiter durch.
Doch die Drama-Queen – im Folgenden nur noch Schu-Schu-ki genannt – zieht alle Register. Die langen Dauerbaustellen um Würzburg kommen in Sicht. Für die Einen bedeutet es Heimat, für die Anderen: Hoffentlich bleibt die Scheißkarre nicht mitten in der Baustelle stehen.
Der Schu-Schu-ki macht es spannend. Auf der Brücke, am Hang, kurz vor der Raststätte Würzburg (die ja übrigens als Feng-Schui-Raststätte ausgezeichnet ist … das nur so am Rande) lässt das Auto eine monströse schwarze Rußwolke fahren und alles stinkt so dermaßen, dass wir glauben: „Scheiße, die Karre hat Feuer gefangen.“ Mit letzter Kraft quälen wir uns den Berg rauf und rein in die rettende Raststätte. Vor dem obligatorischen Burger King ist noch ein Parkplatz frei.
Ich mache das Auto aus und sage: „Das war’s ich fahr da heute nicht mehr weg!“ Ich bin mit den Nerven komplett am Ende. Der Schu-Schu-ki hat mich erfolgreich zermürbt – mit zwei Pferden hinten drin. Die waren übrigens super brav. Dösende Vollprofis on Tour. Das Auto hat übrigens dann doch nicht gebrannt.
Wir telefonieren und der Schwager kommt uns retten. Beim Umhängen des Pferdetransporters laden wir erst einmal die Ponys ab. Diosa nutzt die Gelegenheit und strullert erst einmal herzhaft vor den Burger King. Wir tun so, als ob wir nichts gesehen haben. Das Pony ist peinlich. Also schnell wieder rein in den Hänger und komplett entspannt lassen wir uns endlich nach Hause fahren. Ich trinke ein Bier und falle in tiefen komatösen Schlaf. Übrigens, möchte jemand einen kaum gebrauchten, gut erhaltenen Suzuki kaufen?
*Applaus*
Ja, ich als Hundebesitzer kenne das. Auch die Haare meiner Katzen finden immer den Weg ins Auto. Einen Allergiker könnte ich problemlos auf der fahr zum nächsten Zigarettenautomaten töten 🙂