Del Cavador

Erdrückende Sachen?

2. Dezember 2016:

„Minimalismus bezeichnet einen Lebensstil, der sich als Alternative zur
konsumorientierten Überflussgesellschaft sieht. Seine Anhänger versuchen
durch Konsumverzicht Alltagszwängen entgegenzuwirken und dadurch ein
selbstbestimmteres, erfüllteres Leben zu führen.“ – Wikipedia.de

Angeregt durch den Blog-Artikel von Nordfalben wurde ich diese Woche erneut auf das Thema Minimalismus geschubst. Eine Nicht-Reiter-Freundin beschäftigt sich phasenweise intensiv mit dem Thema Minimalismus – aber eher aus der Veganer-Richtung angenähert. Dann wurde ich dieses Jahr ziemlich deutlich mit ungewolltem Minimalismus in Form des Hof-Brandes konfrontiert. Alles in Rauch aufgegangen. Egal wie man es betrachtet, das Thema kommt immer wieder durch und ich finde es durchaus spannend.

Ich habe mir auch Youtube Filmchen von Minimalisten angesehen. Und ich kann mir persönlich nicht vorstellen mit einem Kleiderschrank von sagen wir einmal 50 Teilen zu leben. Das würde bei mir schon an der tatsächlich benötigten Socken und „Schlübbi“-Anzahl scheitern. Und an einem Kleiderschrank mit zwei Leben: einem Zivil-Leben und einem Leben im Pferdestall. Nichtreiter mögen keine Pferdehaar-Sachen in ihren Wohnungen. Und Arbeitgeber mögen kein miefiges Stalloutfit im Umgang mit Kunden. Und Pferdestall bedeutet im Winter warm anziehen. Das maximiert die Stückzahl schon ganz automatisch, gerade wenn man im Fünfach-Lagen-Zwiebellook im Stall aufschlägt. Aber ich finde das Thema Minimalismus mit all seinen Aspekten faszinierend.

Man steht ja tatsächlich vor seinem eigenen Kleiderschrank und zieht immer das Selbe an. Also bei mir ist es zumindest so. Je nach Jahreszeit habe ich meine „Lieblings“-Klamotten, die im Angesicht des kompletten Kleiderschrankes doch einen relativ kleinen Anteil ausmachen. Warum ist das so? Warum greift man immer zu den gleichen Sachen? Und denkt Ihr Euch nicht auch: Warum hab ich eigentlich so viel Kram, den ich eh nicht benutze? Wie unnütz! Wahrscheinlich ist das Gehirn mit dem Abspeichern der ganzen Besitztümer komplett überfordert. Es blockiert und man kann sich nichts aussuchen, weil man sich nicht an alles erinnert und Erinnerungen verschwimmen. So zumindest meine Theorie. Mit weniger befreit man sein Gehirn. Also könnte man eigentlich alles an Klamotten auf die Lieblingsklamotten reduzieren. Ich bin sicher, damit könnte man schon mal 60 % des Kleiderschrankes „entrümpeln“.

Genau so geht man dann idealer Weise in seinem ganzen übrigen Lebensraum vor. Ich lese unheimlich gerne. In den letzten Jahren bin ich der Buch-Haptik abtrünnig geworden und auf eBook umgestiegen. Eigentlich viel sinnvoller. Es fasst viel mehr Bücher, ich komme einfach an neuen Lesestoff heran und muss keine schweren Bücher schleppen. Wohin mit den ganzen Büchern? Auch wenn sie so schön im Regal aussehen. Für mich ist das schon eine Art Minimalismus. Den schönen Büchern entsagen und pur auf die Information in einem elektronischen Gerät reduzieren. Das ist machbar. Und bringt für mich Vorteile. Dank App auf dem Telefon kann ich jederzeit und überall weiterlesen (und mich nicht ärgern, wenn ich das spannende Buch vergessen habe, aber grad Zeit zum lesen ist).

Für mich als mehrfacher Pferdebesitzer würde Minimalismus dann auch ein Entrümpeln im Sattelschrank bedeuten. Da würde es mir nicht einfach gemacht. Ich habe viel Zeit aufgewandt, um eine schöne Bosal/Barbada-Sammlung aufzubauen. Als Minimalist müsste ich mich entscheiden diese Rigoros zu verkleinern. Das möchte ich aber nicht. Ich genieße die Auswahl. Und ich gönne mir den Luxus, dass jedes dieser Gebrauchs-Teile meist auch an einem eigenen Kopfstück aus Biothane hängt. Bescheuert ich weiß. Man könnte sie auch an einem Kopfstück mit Umschnallen regelmäßig auswechseln.
Aber Entwarnung: Worauf ich inzwischen gut verzichten kann, ist eine große Satteldecken/Schabracken-Auswahl. Seit dem ich das Quittpad kennen gelernt habe benutze ich das fast ausschließlich. Meine ganzen restlichen Schabracken sind quasi nur noch sentimentale Anhängsel. Brauchen fällt flach, da sind „nur“ Erinnerungen dran geknüpft. Aber andererseits möchte der Minimalismus ja auch Platz für Erinnerungen schaffen. Minimalismus möchte, dass wir uns bewusster mit uns selbst beschäftigen und nicht am Konsumgut festmachen. Was ja ein schöner Gedanke ist. Was bedeutet das jetzt für meine Satteldecken?

Hamilton-Stricke
Irgendwann hat alles eine Farbe …. und Form …  da hätte ein Strick auch gereicht 🙂 – Foto: privat

Gute Frage. Aussortieren. Die mit viel Erinnerung einfach behalten, weil ich es kann, die anderen weitervermitteln. Manch anderer würde vielleicht extrem sein und nur eine behalten. Aber hält man das tatsächlich durch? Oder ist das nicht einfach nur das Gegenteil von Kaufsucht und damit auch wieder ein Extrem, welches man nicht lange durchhält?

Mir persönlich gefällt, wie bei den meisten guten Ideen, der Grundzug, das daraus erwachsene Extrem nicht. Ich würde für mich persönlich aus dem Thema Minimalismus herausziehen:
– Wir besitzen alle viel zu viel. Reduziere auf die Lieblingssachen.
– Ich muss mich nicht an starre Stückzahlen halten. Ich kann mir selber überlegen, was für mich funktioniert.
– Jeder von uns kann für sich viel Platz schaffen durch Reduzieren, Sortieren, Entrümpeln.
Und das in jeglicher Lebenslage/jeglichem Lebensbereich.
– Weniger „Gerümpel“ bedeutet mehr Freiraum. Mehr Zeit sich mit den wichtigen Dingen zu beschäftigen, weil man nicht mit unnötigen Dingen belastet ist.
– Weniger ist Mehr.
(Übrigens sind ab einem gewissen Alter (nämlich meinem) auch weniger Kalorien am Tag mehr ….. – aber das nur unqualifiziert am Rande.)

Mein persönliches Ziel wird sein ein gesundes Verhältnis zum Konsum/Besitz zu entwickeln. Was mit einer Pferdejacken/Kuschelpullover-Kaufsucht an einem Stall mit anhängendem Verkaufsladen nicht wirklich einfach ist. Das kann ich Euch sagen. Vielleicht sollte mein Ziel sein: mindestens eine Nacht darüber schlafen, und dann erst entscheiden ob man das Teil tatsächlich braucht. Oder ein Teil immer gegen ein anderes zu ersetzen. Wenn Eines einziehen möchte, muss Eines gehen. Es gibt letztendlich unendliche Möglichkeiten. Aber Hauptziel für mich sollte bleiben: Gesundes Mittelmaß (mit Tendenz zu Weniger). Keine Extreme, die hält man (also ich) nämlich nie lange aus.

neue Kumpels
Da will schon mal wer beim Aussortieren mithelfen! – Foto: Yvi Tschischka

Der Minimalismus soll uns ja in ein selbstbestimmtes und erfüllteres Leben führen. Ich denke mir, wer darüber schon mal das Nachdenken anfängt ist schon einen großen Schritt weiter. Ballast abwerfen ist die Devise – physisch oder psychisch. Abschließen mit Dingen. Abschließen mit Situationen. Abschließen mit Menschen, die einem nicht gut tun. Egal. Nur Anfangen damit ist wichtig!
In diesem Sinne, ich hoffe die philosophische Kost schreckt nicht ab. Aber gerade dieses Jahr ist für mich der perfekte Anlass, um einiges neu zu sortieren.

Wie steht Ihr zum Thema „Minimalismus“?

2 Antworten auf „Erdrückende Sachen?“

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