Therapiesitzungen in Hünxe?
09. bis 11.08.2019:
Hofturnier Gaited Working Equitation in Hünxe oder: wie Bekloppt können Reiter eigentlich sein?
Ein Highlight unseres aktiven Reiterjahres ist auf jeden Fall das Hofturnier der Familie Vierhaus in Hünxe – von uns einfach locker 409 km entfernt. Also auf Deutsch: wie Bekloppt muss man sein, um für ein kleines Hausturnier so weit zu fahren? Antwort: Ziemlich! Aber wir haben immer einen Mords Spaß dort! Dieses Jahr ist unsere kleine Therapie-Gruppe mit drei Pferden und vier Menschen aufgeschlagen. Schließlich wächst man nur durch Herausforderungen über sich.

Wir hatten dieses Jahr wieder unseren Quoten-Tinker Ponymann mit Lina und Julia dabei und für die Gangpferde erstmalig Diosa mit Yvi und das Drachenpony mit mir. Das Drachenpony hat sich seit dem Sommer über so gut gemacht, dass ich mir gedacht habe: Warum nicht sie mitnehmen? Sie läuft inzwischen zu Hause so sicher und entspannt – das testen wir jetzt mal mit etwas mehr Aufregung. Gut – jetzt fragen sich bestimmt viele Leute: Warum schleppt die Frau dieses aufgeregte, gestresst wirkende Pony mit auf Turnier? Weil es meine persönliche Herausforderung ist – und weil das Pony eigentlich gerne unterwegs ist. Sie fährt gechillt Hänger, fühlt sich sofort in fremden Boxen heimisch, benimmt sich einwandfrei am Boden – und ist halt leider ab und an sehr gestresst beim Reiten vor Publikum.
Nachdem ich einfach die Aussage nicht akzeptieren kann, dass dieses Pferd sich niemals ordentlich reiten lassen wird ist es mein persönliches Anliegen das zu Wiederlegen. Wir haben nämlich inzwischen ein Tempo Tölt! Und sie ist die ganze Zeit mental bei mir geblieben – mit kleinen Aussetzern und ein paar Stress-Situationen, aber das Drachenpony war einfach nur toll! Sie passt auf was ich möchte, versucht es, kann es aber teilweise einfach nicht halten, weil sie dann wieder einen riesengroßen Adrenalinschub bekommt – aber sie bleibt bei mir. Ich bin alle drei Prüfungen gestartet und habe alle drei Prüfungen beenden können – ohne Totalausfälle.
Und mit Totalausfällen meine ich Verletzte, verbrannte Erde und umgemähte Zäune. Was noch deutlich zu sehen war: Stress im Schritt – teilweise Einfrieren und leichtes Hopsen. Aber sie hat mir trotzdem unter Stress weiter zugehört und hat sich immer wieder gefangen. Das sieht bestimmt für Zuschauer und Fino-Fremde aus wie komplett gestresst und gruselig – aber es fühlt sich anders an. Und Festfrieren und erst mal Atmen und Nachdenken und dann wieder ordentlich weiter laufen finde ich weniger gefährlich wie wildes Bocken, Steigen und unkontrolliertes Losrennen. Und das Pony war die ganzen drei Tage super motiviert – sogar nach unserer anstrengenden Nach-Hause-Fahrt war sie am nächsten Tag freudig im Paddock am Tor gestanden und wollte mitkommen und arbeiten! Sie hat den Spaß am geritten werden wieder gefunden – so vermittelt sie mir im Alltag den Eindruck – was mich maßlos begeistert und freut! Aber erst mal von Anfang an!

Wir haben wieder schöne Boxen beziehen dürfen und die Ponys hatten Zeit zum Ankommen. Wir haben in der Zwischenzeit wieder unser tolles Hotel vom letzten Jahr bezogen. Den Abend haben wir genutzt den Ponys in der Reithalle noch etwas Bewegung zu verschaffen, bevor wir zu unserem Voerdener Lieblings-Pizza-Dienst zum Abendessen holen eingefallen sind. Sven hatte wohlweißlich Urlaub genommen und war nicht da, aber wir wurden trotzdem wiedererkannt. Grüße an Sergio – DEM Pizza-Dreher unseres Vertrauens!
Der erste Turniertag war für die Dreigänger reserviert. Ponymann und Lina waren letztes Jahr schon mit dabei und der Ponymann blieb in lebhafter Erinnerung, weil er sich im Trail nach dem „Pferch“ wild flüchtend vom Acker gemacht hatte. Es gibt anscheinend in Hünxe seit letztem Jahr den feststehenden Begriff „den Tinker machen“, wenn ein Pferd durchgeht. Also war die Therapie genau diesen Trail wieder zu gehen und wenn das Pony noch mal „den Tinker gemacht“ hätte, dann hätte er echt wirklich Ärger bekommen. Aber der Ponymann ist ein kluges Pony und hat den Trail (zwar in der „falschen“ Gangart, weil nur im Trab statt im Galopp) sauber gemeistert – er war kooperativ und aufmerksam und Lina ist am Ende sogar zum Ausgang hin angaloppiert und so durch die Ziellinie gekommen. Wir waren so Happy! Das gab erst mal eine Runde Freudentränen bei uns allen. Voll die Therapiesitzung, dieses Turnier!

Am nächsten Tag waren dann die Finos dran. Beide in der Mittleren Wertung. Diosa und Yvi sind übrigens Streber – aber das ist ja nichts Neues – Diosa hat die Mittlere Rittigkeit mit dem zweiten Platz beendet. Die einfache Töltprüfung mit dem Dritten Platz und den Mittleren Trail mit dem zweiten Platz und war somit in der Gesamtwertung Zweite. Also kein Therapie-Potential – da kann man nur noch am Finetuning arbeiten 🙂 Sprich weniger sumpfige Momente, mehr kooperative Momente, ansonsten schaut Frau Sumpf immer sehr hübsch aus. Außer sie zerstört sich ungefähr fünf Minuten vor dem Aufsitzen die komplett schöne Flechtfrisur und schaut dabei so, als ob sie dafür auch noch Lob möchte. Typisch Sumpf halt.

Vor dem Einreiten meiner Dressur mit dem Drachenpony dachte ich, das schafft das Pony rein emotional niemals – sie war sehr „on Fire“ beim hinreiten an den Dressurplatz und in der ersten Runde auf dem Dressurplatz. Da saßen Menschen und es lief Musik! Aber wir haben es geschafft und das wollte ich – einfach mal durchkommen mit einem Tempo Tölt! Und wir waren sogar Vorletzter! Von daher schon Ziel mehr als erreicht.

Die einfache Töltprüfung konnte ich gar nicht einschätzen. Die hatte ich ehrlich gesagt auch gar nicht auf dem Schirm. Alle Starter in einer Gruppe auf dem großen Trailplatz. Das Einreiten war von daher auch eher gruselig für Resi – im spannigen Schritt mit Festfrieren haben wir die erste halbe Runde absolviert. Dann hatten uns alle Teilnehmer überholt und Resi hatte sich mit der Situation angefreundet und von da an lief sie. Vier Phasen Tölt – die ersten beiden sogar sehr gut, wie eine kleine Tölt-Nähmaschine!
Ich war ziemlich begeistert – die beiden Phasen mit dem beliebigen Tempo Tölt waren nicht so gut, aber immerhin war es kein Komplett-Reinfall – es war einfach dann genug. Hier wurden wir dann zwar Letzter, aber hier hat wieder das Therapie-Ziel: Einmal eine Gangprüfung mit dem Drachenpony starten und durchkommen gegriffen. Ich war hart ergriffen und es gab wieder Gruppen-Tränen. Mann, Mann, Mann, auf meine Alten Tage werde ich noch sentimental.

Der anschließende Trail war dann nur noch Spaß – ich habe mich an tollen Phasen erfreut – Resi hat alle Hindernisse angegangen. Wir haben nicht alle komplett geschafft, aber wir sahen wenigstens am Spektakulärsten aus! Kritisch waren eigentlich nur „Kiesbett“ – da sind wir kurzzeitig Festgefroren. Man weiß nicht, ob Resi mir damit suggerieren wollte, dass sie gerne einen Cocktail am Strand haben wollte – oder was auch immer! Nach dieser kurzen Atem-Pause hat sie dafür den „Slalom“, den „Berghang“, die „Tonnen-Acht“ und die „Glockengasse“ am Stück super gemeistert. Kritisch wurde es dann erst wieder beim „Ringstechen“ – Garrocha aufnehmen hatte ich vorsichtshalber zu Hause nicht geübt. Danach war sie etwas aufgedreht, von daher hat das „Tor“ nicht so ganz geklappt, aber wir sind anständig durch gekommen. Die „Seitwärtsstange“ hat dafür super geklappt – das war letztes Mal noch ein Problem – Schenkelgehorsam nach einer Aufregungsphase? Vergiss es! Aber an dem Tag: Ok, mach ich. Von daher war ich super Stolz. Wir sind sogar nur Vor-Vorletzter geworden und in der Gesamtwertung insgesamt Vorletzter! Ha! Das ist Besser wie mit Jacinto! 🙂

Von daher Ja! Es ist bekloppt Unmengen von Geld auszugeben, um mit Ponys durch die Gegend zu fahren und sich einfach nur über geschaffte Prüfungen zu freuen. Ja, es ist bekloppt Pferde zu besitzen – aber es ist gleichzeitig auch das Schönste überhaupt! Man wächst an sich und seinen „Problemen“ indem man an ihnen arbeitet – und wenn dann alles funktioniert ist das das Beste Gefühl überhaupt. Ich glaube neben Karma fest daran, dass sich Pferd-Reiter-Beziehungen unter extremen Situationen und in der Fremde sehr festigen. Und man nur dann eine Chance hat ein gutes Team zu werden, wenn es auch Außerhalb klappt. Zu Hause funktioniert Vieles, aber die wahren Knackpunkte kommen immer erst Auswärts zum Vorschein und dann hat man wieder etwas, an dem man Arbeiten kann.
Von daher war uns die lange Anreise wert, wir haben wieder viel erlebt – hatten eine tolle Zeit in Hünxe, haben viel gelacht, viel gesehen, neue Menschen kennen gelernt und hatten eine kurze Auszeit vom Alltag und kamen motiviert und therapiert wieder nach Hause. Ach ja und Müde natürlich auch – aber es gibt wieder tolle neue Geschichten und Erlebnisse und die kann einem keiner Nehmen. Auch nicht Charly, der Nachts um 4:13 Uhr von Samstag auf Sonntag im Hotelhof noch volltrunken Lieder geschmettert hat, bis Lina ihn unsanft daran erinnert hat, dass doch Nachts wäre und Leute schlafen wollten. Aber wir haben hoffentlich früh morgens genügend Lärm gemacht, um auch Charly im Gegenzug die „Nacht“ zu versauen. Aber wahrscheinlich hat er noch seelig im Alkoholrausch geschlummert.
Vielen Dank an Familie Vierhaus, dass Ihr wieder so ein schönes Turnier veranstaltet habt und vielen Dank für die schönen Boxen, in denen sich die Ponys sehr wohl gefühlt haben. Vielen Dank an alle Helfer (und an Mats für die Senfbrötchen :-)) und an alle andern Teilnehmer, die die Mühen eines Turnieres immer wieder auf sich nehmen und damit aktiv dafür sorgen, dass wir alle eine gute Zeit haben können. Und vielen Dank auch an Lena und ihre Luna, bei deren Fotoshooting ich NICHTS machen musste, weil das Pony so fixiert auf die grüne Futterschüssel war – das hat schon für schön gucken mit gespitzten Ohren gereicht! Und an Wiebke und Ellen, deren Ponys Yvi auch fotografiert hat und die laufen zu sehen immer wieder ein Vergnügen ist!

Mal sehen, was wir nächstes Jahr so therapieren müssen – dann kommen wir wieder, wenn wir dürfen! 🙂 Ein neues Opfer haben wir ja: Julia, Linas perfekte Beifahrerin hat ja auch noch kein Gangpferdeturnier mitgemacht …. Hmmmmmmm 🙂 Ich merke da gibt es Potential! 🙂 *händeaneinanderreibgeräusch*