Pferdedecken?
März 2020:
Ich bin Besitzer eines sehr seltsamen Ponys. Das Pony ist ein sonniges Florida-Kind und hat jetzt im reiferem Alter auf einmal beschlossen: NEIN, es regnet, der Wind kommt von der Seite – da geh ich einfach aus dem Strohbett nicht mehr raus. Nö. Essen gibt es dort ja reichlich, aber trinken wird überbewertet. Mal abgesehen davon, dass dem Pony anscheinend noch keiner gesagt hat, dass man ohne regelmäßig viel Wasser zu Trinken die Falten mehr sieht und man verblödet, ist ihr das einfach zu doof zum Wasser zu latschen. Muss man sich ja bewegen. Draußen.

Das gipfelte vor einigen Jahren zu Weihnachten in einem schmerzhaften Klinikbesuch wegen Kolik. Schmerzhaft für das Pony, weil eklige Nasenschlundsonde, Nacht-und-Nebel-Aktion, komische Untersuchungen und viel Bauchschmerz. Schmerzhaft auch für meinen Geldbeutel. Von daher musste eine neue Strategie im Herbst her. Die heißt Pferdedecke. Wenn das Pony nämlich eine Regendecke trägt, spaziert es auch bei Sturm und Hagelschauer draußen herum. Außerdem ist es wesentlich besser gelaunt, wenn es einen warmen Rücken hat. Das spiegelt sich dann auch unter dem Sattel wieder. Verstehe einer dieses Pony, aber es funktioniert.

Also bin ich unter die eingedeckten Pferdebesitzer gegangen. Das mit den Pferdedecken ist ja auch so eine Wissenschaft für sich. Schon alleine die richtige Passform zu finden ist ein sehr schmerzhafter Prozess. Für meinen Geldbeutel. Das Pony ist davon eher genervt. Wir haben jetzt diverse Regendecken, mit Füllung von 50 g bis 200 g (für den nicht vorhandenen Winter) und ganz ohne. Mit Fleece und in seidig glatt. Fleece ist übrigens keine gute Idee, schon gar nicht, wenn man dann im Frühjahr die Haare darin sammelt. Das Pony neigt nämlich auch ganz schnell zu Hautirritationen und komischen Scheuerstellen. Also muss immer alles fast klinisch rein sein. Und man ist immer am Beobachten des Wetters. Ist es zu warm? Decke runter, ist es zu kalt, ich sitze aber auf der Arbeit fest. Es ist eine unendliche Geschichte. Man traut sich gar nicht mehr wegzufahren. Man wird schon fast Wetter-Paranoid. Langer Rede, kurzer Sinn: Wir haben jetzt die perfekte Decke gefunden. Sie scheuert nicht, hat ein seidiges Inlay, das Pony kann sich damit wunderbar bewegen, ohne vor dem Deckengeraschel Panik zu bekommen und sie sieht auch noch schick aus. Und sie hat eine enorme Temperaturschwankungsfähigkeit (Danke für den Tipp Britta!). Perfekt.

Problem: Das Pony sondert irgend welche seltsamen Körperflüssigkeiten ab, die die Decke ganz schnell speckig und schmierig werden lassen. Von Innen. Und ich meine nicht die festen Körperbestandteile, die in mehr oder in oft weniger Apfelform hinten am Pferd raus kommen. Das kommt auch noch dazu. Dafür habe ich übrigens inzwischen auch das richtige Material gefunden: Gummi mit Plastikummantelung. Super. Da freut sich auch mein Mensch von der Textilreinigung, der seitdem nicht mehr das Vergnügen mit vollgeschissenen Schweif-Verschlüssen hat. Und mit vollgeschissen meine ich vollgeschissen. Verbacken in eine feste Masse, die Eisen-Karabiner zum rosten bringt und Nicht-Pferdebesitzer zum Würgen.
Die Quintessenz: Diese perfekte Decke muss ca. alle vier Wochen zur Reinigung. Mal abgesehen davon, dass es eine teure Sache ist und die Decke in einer Saison doppelt so viel an Folgekosten erwirtschaftet, wie sie tatsächlich gekostet hat – nur mit dreckig werden! Und ich eine zweite und dritte Decke in Betrieb habe, die die Decke dann ersetzt (weil die beiden anderen scheuern). Davon mal abgesehen. Also stehe ich alle paar Wochen in der Textilreinigung meines Vertrauens. (Zuhause waschen kommt nicht in Frage – mit meiner Mutter möchte ich es mir nicht verderben! Mama: hiermit schwöre ich hoch und heilig: vollgeschissene Pferde-Outdoor-Decken haben Deine Waschmaschine noch nie gesehen!)

Der Mann in der Reinigung ist so ein dünner, introvertierter Mensch mit einem süffisanten Dauergrinsen im Gesicht. Sehr korrekt und sehr trocken. Ich bin mir nicht immer sicher, ob er sich freut, dass ich ihm Arbeit bringe. Und ich bin mir nicht sicher, ob er mich nicht ein bisschen non-verbal veräppelt. Es wirkt immer ein bisschen wie der Tanz ums rohe Ei wenn ich diese Reinigung betrete. Ich komme also die Tage wieder einmal in den Laden geschneit.

„Hallo! Ich bin die Frau mit der Türkisen Pferdedecke! Ich würde sie gerne wieder abholen!“
Er grinst süffisant und werkelt an seiner antik wirkenden Kasse herum.
„Sagen Sie mal, warum brauchen Pferde eigentlich eine Decke? Ich habe da eine Kasachische Mitarbeiterin, die wundert sich immer, warum hier in Deutschland alle Pferde eine Decke tragen müssen. Die sagt, bei denen trägt kein Pferd eine Decke. Ich habe da mal im Internet recherchiert. Nur kranke und geschorene Pferde sollten eine Decke tragen.“
Ich nicke ihm zu und bin etwas verwundert. Das waren ja gleich mehrere Sätze.
„Da stimme ich ihnen zu. Ich gehe davon aus, dass die meisten Pferde hier eigentlich tatsächlich keine Decken tragen müssten. Hier in Deutschland sind viele Pferde sehr übertüddelt von ihren Besitzerinnen. Die bräuchten eigentlich wirklich keine Decke. Die Pferdefrauen hier übertreiben sehr gerne.“
Er nickt verständig. Ich fühle mich bemüßigt nicht in die Kategorie Psycho-Pferdefrau zu fallen und erkläre weiter: „Wissen Sie, bei meinem Pony bin ich mir auch nicht so sicher, ob es nötig ist, aber wenn sie im Herbst bei Regen nicht raus geht zum Trinken, dann bekommt sie eine Kolik und das wird teuer. Mit Bauchschmerzen beim Pferd zahlt man sich ja auch dumm und dämlich. Wenn das Pony jetzt eine wind- und wasserdichte Regendecke trägt, geht es nach draußen und trinkt. Und wenn man damit mal angefangen hat, muss man es auch den Winter über durchziehen. Deshalb komme ich ständig mit dieser Decke zu Ihnen.“
Er nickt verständig und grinst wieder süffisant.
Ich zahle, schnappe mir die Decke und bin weg. Ich bin schon gespannt, was wir für ein Gespräch führen, wenn die Decke wieder speckig ist. Vielleicht werden wir doch noch beste Freunde, der Mann von der Textilreinigung und ich.
Und ich denke: Ja, der Mann hat echt recht, bzw. seine kasachische Mitarbeiterin.
