Zeitreise mit Paul?
April 2020:
Pauls Geschichte erschien 2007 in der „Brio“ und hatte es nie in diesen Blog geschafft. Wahrscheinlich weil es den erst zwei Jahre später gab. Ich hatte die Tage ein bisschen Zeit und habe in alten Pferdebildern gestöbert und dabei ist mir auch die Geschichte von Pauls Geburt in die Hände gefallen. Und ich finde sie auch viele Jahre später noch extrem lustig – also retrospektiv – tatsächlich war das damals eine sehr schlimme Nacht für mich! Aber lest selber…

Horror auf vier Hufen
Dies ist die Geschichte von Paul – genauer gesagt über die nervenaufreibenden Stunden von Pauls Ankunft.
Paul ist unser Fohlen.
Aber fangen wir von vorne an. Scharf darauf, endlich mal eine Fohlengeburt live zu erleben, hatte ich es diesmal fast geschafft. Das „Opfer“ war Lagrima, die bis zur Niederkunft akribisch und systematisch beobachtet wurde und sich viele abschätzende Blicke auf ihr Euter und ihren Bauch gefallen lassen musste.
Ja, und dann war es am 05.05.2007 endlich so weit – genauste Berechnungen von Lagrimas Seite her haben ihr gesagt: gegen halb elf Abends ist diese nervige Frau nicht da und dann kann ich mein Fohlen unbeobachtet bekommen. Gesagt getan. Lagrima hat es also geschafft und ohne mich ein gesundes Hengstfohlen – wie sagt man so schön: entbunden.
Kurze Zeit später traf ich dann im Stall ein. Ein helles, recht kräftiges Wiehern empfing mich.
Nicht das normale Gekrähe von Lagrima. Lagrima wiehert nämlich nicht, sie kräht – ausgiebig und laut, vor allem wenn es Futter gibt. Oder sie kreischt. Oder was auch immer es ist. Es kommt einem nicht als erstes ein Pferd in den Sinn, wenn man es hört. Eher ein Massaker oder eine Kindesmisshandlung, notfalls auch ein Katzenkampf. Wir warten schon auf Anzeigen wegen Pferdequälerei, weil sie so seltsame Töne von sich gibt.
Aber ich schweife ab – zurück zu Paul. Gefunden habe ich ihn dann eingeklemmt in einer Ecke und noch ganz nass. Wie ein Häufchen Elend lag er da. So lange Beine sind halt doch ein Hindernis. Was er schon toll konnte war, wie gesagt, wiehern. Ich hab ihn dann erst mal aus der Ecke geholt und geholfen aufzustehen. Das ist schon zu drollig, zu sehen, wie sich Fohlen mit ihren langen Weberknechtbeinen hinstellen und dann rumschwanken wie unsereins nach drei Bier aufwärts.
Gut, erste Hürde „Stehen“ war geschafft. Paul hat dann nach einigem Hin- und Hergestakse versucht zu trinken und Mamas Euter nicht gefunden. Rumgeschnulle an Brust, Vorderbeinen, Bauch und Hinterbeinen war drin, aber Euter finden nicht. Dieses Spiel zog sich dann über Stunden hin. Mit Hinstupsen, Hinbiegen, Hindrücken, Paul war unfähig zu trinken. Schlecht.
Meine Nerven am Ende, Lagrimas Nerven ebenfalls. Sie hat ganz liebevoll und fürsorglich mitgeholfen, sogar ein Hinterbein gehoben, sich richtig hingestellt und so weiter.
Nächtliche Besucher, angelockt durch das Stalllicht, kamen und gingen. Versuche, Paul wie ein Kälbchen zum Trinken zu bewegen scheiterten ebenfalls. Keine gute Idee übrigens.
Ich war schon fast so weit, es persönlich zu demonstrieren, aber Fohlen sehen anscheinend nicht so gut, wenn sie frisch geboren sind. Also auch keine gute Idee.
Erfolglos und Müde und mit dem Wunsch, die Natur möge es schon richten, bin ich dann nach Hause gefahren. Verdrängung erster Güte, funktioniert meistens. Gute Idee in der Theorie, in der Praxis sehr unkomfortabel.
Vor lauter Sorge konnte ich dann natürlich nicht schlafen.
Es geisterten ausgetrocknete Fohlen, verdurstete kleine Häufchen Elend und völlig erschütterte Stuten im Kopf herum, umrandet von Totenkopfknochen und Piratenflaggen – und alles dreht sich im Kreis.
Also, raus aus dem Bett und wieder zum Stall gefahren. Lagrima steht in der Box – Paul ist weg.
Äh…ja genau … ich musste auch erst zweimal gucken. Ungläubig laufe ich ein paar Schritte weiter und finde Paul glücklich und zufrieden schlafend mitten in der Nachbarbox liegen – die Bewohnerin völlig verängstigt und mit den Nerven am Ende in der Ecke stehend.
Ist der Kerl doch unten durch den kleinen Spalt zwischen den Boxen durchgerutscht! (Die Boxe ist jetzt inzwischen zugebrettert, da passt nix mehr durch)
Also, Paul wieder zurück zur Mama, diesmal aber den offiziellen Weg durch die Boxentüren….
Lagrima überglücklich, Paul immer noch zu blöd zum Trinken. Irgendwann wollte ich dann völlig entnervt aufgeben. So eine Nacht alleine im Stall mit Horrorvisionen im Kopf zehren echt an den Nerven.
Und was macht Paul?
Ich sitze wie ein Häufchen Elend in der Box, denke an tote Fohlen, die jämmerlich verdursten, oder an Nächte, die ich fohlentränkend in dieser Box verbringen werde, monatelang schlaflos.
Und was macht Paul?
Er trinkt – endlich!
Ich hab mich noch nie so gefreut, ein Fohlen trinken zu sehen.
Der Problempunkt war die Kopfdrehung, die so ein Fohlen braucht um an Mamas Euter zu kommen, an der hat es gehapert. Wenn ich ein Glas Sekt dabei gehabt hätte, dann hätte ich auf Paul angestoßen (wahlweise auch an Paul).
Aber jetzt ist ja alles gut. Naja, fast alles. Paul liegt inzwischen mit Vorliebe zum Schlafen an gefährlichen Stellen, direkt am E-Seil, vor der Tür, oder wo es sonst noch ungünstig ist. Wir warten auf den Tag, an dem wir ihn irgendwo herausfischen müssen.
Aber er lernt schnell dazu. Ich jedenfalls bin von meinem Wunsch kuriert bei einer Fohlengeburt dabei zu sein. Das nächste kleine Monster hätte ich gerne trocken und zufrieden trinkend am nächsten Morgen serviert!
PS: Paul hatte jetzt übrigens Durchfall. Was auch zu lustigen Situationen führte, weil Paul nämlich sein Durchfallmittel nicht so gerne möchte und wir wiederum wollten nicht so gerne an Pauls Popo hinlangen.
Aber mit Durchfallgeschichten belästige ich Euch jetzt nicht. Glück gehabt! Ach ja, Paul heißt übrigens offiziell „Panini del Gavilan“ und man kann dieses Prachtstück von einem Fohlen übrigens käuflich erwerben. Spaß garantiert!


Schöne Fotos – vor allem das oberste, die Zunge leicht draußen …. herzig